Zum "Schönauer Krippenspiel"
70 Jahre nach der Uraufführung durch die Schulkinder im Jahre 1946 wird „Das Schönauer Krippenspiel“ alle 10 Jahre aufgeführt. Die letzte Aufführung fand 2016 statt, die nächste wird 2026 sein. 2017 wurde das "Schönauer Krippenspiel" mit dem Kultursonderpreis des Landkreises Rosenheim ausgezeichnet.
Mit seinem Stück wollte der damalige Schönauer Schullehrer Wolfgang Koller die Weihnachtsgeschichte nicht in der gängigen Form beschreiben. Ganz bewusst verlegte er die Handlung in die damalige Gegenwart und beschreibt Parallelen zwischen den Wirren der Nachkriegszeit und den Inhalten der Weihnachtsgeschichte.
Die Herbergssuche von Maria und Josef vergleicht er mit der Not der Heimatvertriebenen. In anderen Dialogen kommen die politische und gesellschaftliche Unsicherheit sowie das menschliche Leid dieser Zeit zum Ausdruck. Auch Hinweise auf die Ursachen der Not, aber auch auf das Leid, das von Deutschland ausging, sind enthalten. Solche Details sind in den durchgehend in Versform geführten Dialogen auf symbolische Art beschrieben, wenn etwa vom „neuen Schäfer“ (=Hitler), dem „großen Wolfshund“ (=Stalin) oder vom „roten Himmel über München“ (=die nächtlichen Bombenangriffe) gesprochen wird. Auch einzelne Rollen stellen einen direkten Bezug zu den Kriegsfolgen her, wie zum Beispiel „Das Münchner Kindl“, das die Evakuierten und deren traumatische Situation symbolisiert. Beim Schreiben seiner Vers-Dialoge in ursprünglicher bayerischer Mundart musste Wolfgang Koller die Sprache und Ausdrucksweise einerseits sehr einfach halten, damit die Texte auch von den jüngsten seiner Schüler sicher vorgetragen werden konnten. Andererseits sollte die Botschaft dennoch stark genug sein, um ihr Ziel, das Herz der Zuschauer, zu erreichen.
Koller wollte die Menschen mit seinem Stück zu Solidarität und aktivem Handeln zur Bewältigung der damals aktuellen gesellschaftlichen Probleme aufrufen. Es war ihm bewusst, dass die Integration der Heimatvertriebenen eine große Herausforderung für jede Gemeinde werden würde. Diese Aufgabe konnte nur bewältigt werden, wenn die Menschen Vertrauen und Zuversicht in eine gemeinsame Zukunft gewinnen würden. Misstrauen, Vorurteile und offene Ablehnung der Einheimischen gegenüber „den Fremden“ mussten überwunden werden. Darauf verweisen Kollers Szenen und Dialoge. Allen Menschen guten Willens schreibt er eine gemeinsame geistige Heimat zu. Aufbauend auf dieser Grundlage wollte er Wege zum Neubeginn und zum gesellschaftlichen Miteinander aufzeigen.
„Das Schönauer Krippenspiel“ wurde damals schnell weit über die Landkreisgrenzen hinaus bekannt und von Schulen und Theatergruppen gespielt. Unter anderem wurde es in München, Traunstein, Schwäbisch-Gmünd und natürlich in Glonn aufgeführt. Dieser vom Autor selbst nicht erwartete Erfolg zeigt, dass sein Stück die Menschen berührt. Dies gelang ihm nicht zuletzt auch wegen der in seinem Krippenspiel enthaltenen humorvollen Dialoge, auf die er offensichtlich größten Wert legte. „Das Schönauer Krippenspiel“ behält dabei sowohl seinen religiösen Charakter als auch die Ernsthaftigkeit seiner Botschaft.
Es ist eine große Aufgabe, die sich die Schönauer Ortsgemeinschaft mit den Aufführungen im Advent gesetzt hat. Das abendfüllende Krippenspiel enthält an die 30 Rollen für Erwachsene und Kinder sowie Szenen mit Solo-Gesang, Duetten und mehrstimmigen Liedern. Szenenübergänge werden vom Kirchenchor mit Gesang untermalt. Verschiedene und zum Teil aufwändige Bühnenbilder unterstreichen die Handlung. Die größte Aufgabe bleibt jedoch, das Krippenspiel so zu spielen und darzustellen wofür Wolfgang Koller es gedacht hat: Um die Herzen der Menschen zu erreichen.
Versuchen Sie sich in die Zeit um 1946 zu versetzen, dann werden Sie als Zuschauer die Inhalte des Schönauer Krippenspiels nachempfinden können.
Zu Wolfgang Koller
Wolfgang Koller wurde am 6. November 1904 in Glonn geboren. Nach seiner Schulzeit in seinem Heimatort und dem Studium in Freising unterrichtete er von 1924 bis 1952 in bayerischen Volks- und Sonderschulen. Danach wirkte er als Schulrat zunächst in Erding und von 1957 bis 1969 im Landkreis Ebersberg.
Wolfgang Koller veröffentlichte Laienspiele und Gedichte, er leitete Kunstausstellungen und schrieb Kritiken. Ein ganz besonderes Anliegen war ihm stets die Mundart –die Sprache des Herzens- wie er es nannte. In der Chronik „1200 Jahre Glonn“ gibt es Wissenswertes zur Person Wolfgang Koller und seine Anmerkungen nicht nur zur Mundart nachzulesen.
Bemerkenswert sind auch die Umstände seines Todes am 28. April 1974. Die Marktgemeinde Glonn beging den Höhepunkt ihrer Feierlichkeiten zum 1200jährigen Jubiläum in einem Festakt. Die Festansprache im Pfarrsaal hielt Wolfgang Koller bei Anwesenheit von Minister-präsident Alfons Goppel und Erzbischof Julius Kardinal Döpfner. Als er in der anhand seiner stenografischen Aufzeichnungen erhaltenen Rede gerade auf die Zeit der Gründung von Glonn zurückblickte, verstarb er. Seine letzten Worte waren: “...und es gab kein „Munichen“, noch lange nicht, und es gab noch nicht die ragenden runden Türme der Frauenkirche......